Dieter Mammel – Lifeline
Die Ausstellung LIFELINE zeichnet in Bildern und in einer musealen Wanderausstellung den Lebensweg der Familie des Künstlers Dieter Mammel (*1965) nach.
30.8.-28.9.2024 Narodni Muzej Pančevo / National Museum of Pančevo / Serbien
17.5.2025-18.1.2026 DZM Donauschwäbisches Zentralmuseum Ulm / Deutschland
Vorwort aus dem Katalog von der Kuratorin Astrid Beyer
LIFELINE nennt der Künstler Dieter Mammel seine aktuelle Ausstellung. Im Englischen hat „lifeline“ mehrfache Bedeutungen. Die Lebenslinien eines Menschen, seine und ihre biografischen Erlebnisse. Eine Rettungsleine, die vor dem Ertrinken rettet. Das Wort kann für Telefonseelsorge stehen oder es sind die Lebenslinien der Innenhand gemeint. Im übertragenen Sinne bedeutet es auch Nabelschnur. Indem Dieter Mammel einen englischen, mehrdeutigen Titel wählt, verweist er auf die große thematische Bandbreite und Zeitspanne seiner Ausstellungswerke.
vEr zeichnet in Bildern die Lebenslinien seiner Großmutter, Mutter und seine eigenen nach. Von Rumänien über Serbien und Österreich bis nach Deutschland. Dabei bezieht der Künstler durchgängig gegenwärtige Auseinandersetzungen mit ein.
Thematisch knüpft die Ausstellung an Dieter Mammels Kindheitsbilder der „family works“ Ausstellung im Kunstmuseum Bonn an. Doch dringt er mit „LIFELINE“ tiefer in die familiäre, aber auch die gesellschaftliche Vergangenheit ein. Seine Bilder verdeutlichen, wie stark die Kriegserfahrung der Großeltern und Eltern in die nächste Generation hineinwirkt. Der Maler bezeichnet es als familiäres Erbe, das in seiner DNA verankert ist und seine Malerei bis heute prägt.
Seine Großmutter mütterlicherseits wurde 1920 in Timişoara, Rumänien geboren, der Großvater stammte aus Kačarevo, Serbien. Von dort aus flieht sie im Zweiten Weltkrieg mit ihren beiden Töchtern nach Österreich. Sein Großvater kehrt erst Anfang der 1950er Jahre nach sieben Jahren serbischer Kriegsgefangenschaft zu seiner Familie zurück und sie ziehen nach Deutschland. Auch der Vater des Malers ist ein „Flüchtling“. Er flieht 1940 als Bessarabiendeutscher von Klöstitz, Ukraine auf einem Pferdewagen im Treck Richtung Westen.
Im Jahr 2015 holt den Künstler das Thema Flucht erneut ein. Er erlebt auf der griechischen Insel Kos die Ankunft erster syrischer Flüchtlingsboote. Zurück in Deutschland, zeichnet er mit geflüchteten Kindern in Berliner Flüchtlingsunterkünften. Es entsteht das Projekt „Zeig mir, woher Du kommst“. Über 200 Zeichnungen der Kinder werden zusammen mit seinem künstlerischen Dokumentarfilm „Erzähl mir, woher Du kommst“ im Haus am Waldsee, im Berliner Dom und im Weltkulturen Museum in Frankfurt am Main gezeigt. Für Dieter Mammel beginnt eine intensive Zeit der Auseinandersetzung mit dem Thema „Flucht“ und „Heimatlosigkeit“, in der er sich sowohl mit seiner Familiengeschichte auseinandersetzt als auch mit Themen der gegenwärtigen Migration nach Europa. Eine Reihe von „TRANSIT“ Bildern entsteht, die der Künstler 2022 in Litauen, den Niederlanden und Deutschland ausstellt.
Seine künstlerische Karriere startete Dieter Mammel mit Holzschnitten, die ihn schon seit seiner Kindheit faszinieren. Vom Holzschnitt inspiriert, konzentriert er sich auf Licht und Schatten und zyklisch nur auf eine Farbe. Leuchtendes Gelb, dunkles Magenta oder Grün beeinflussen die Stimmung in den Bildern. Seine oft skizzenhaften Zeichnungen auf nassem Malgrund unterstreichen den Eindruck des Flüchtigen oder Zufälligen. Die Bilder scheinen zu zerfließen und verstärken den Wunsch nach dem Festhalten eines Moments, der Erinnerung an familiäre Ereignisse, der eigenen Lebenswege. Das Auge hält Ausschau nach einem Halt, ähnlich einem Ertrinkenden, der hilflos die Rettungsleine in einer überwältigen Welle sucht.
In „LIFELINE“ zeichnet der Maler die Zufälligkeiten des Lebens. Die in der eigenen Familiengeschichte, wie sie überliefert werden und wurden und die fremden, die er täglich erspürt. Oft großformatig und überwältigend, voller Kraft. Sichtbar werden tiefe Seelenwunden. Es ist ein Kreislauf der Entwurzelung und Orientierungssuche über mehrere Generationen hinweg.
(Astrid Beyer)