Die Highlights der Biennale von Venedig 2022

Date : 4. Mai 2022

Die Highlights der Biennale von Venedig 2022Ob herausragende, mittelmäßige oder misslungene: Die Exponate ziehen jedes Mal ein Millionenpublikum in ihren Bann. Nach einer coronabedingten Pause feiert 2022 die 59. internationale, multimediale Biennale von April bis Ende November in Venedig ihr Revival. Sie ist die älteste Ausstellung zeitgenössischer Kunst der Welt – Musik, Film, Theater und Tanz inklusive. Dieser Beitrag befasst sich mit Highlights aus den viel beachteten nationalen Pavillons in den „Giardini“ – den Parks im Osten der Altstadt.

213 Künstler und Künstlerinnen aus 58 Ländern nehmen in diesem Jahr an der Biennale teil. Sie stellen in 79 Pavillons und 31 begleitenden Präsentationen ihre Werke vor. Über das Spektakel in den Giardini hinaus sind viele venezianische Palazzi, die alte Schiffswerft Arsenale und die Festung Marghera auf dem Festland Ausstellungsorte.

Eine Zeitwende für die Biennale

Das Jahr 2022 markiert für die Biennale eine Zeitenwende: Zum ersten Mal seit ihrem fast 130-jährigen Bestehen wird die Hauptausstellung von einer Frau kuratiert, der Italienerin Cecilia Alemani, Direktorin von High Line Art, New York. Die Künstler des verbarrikadierten russischen Pavillons sind einem Festival-Ausschluss durch Verzicht ihrer Teilnahme zuvor gekommen. Grund ist Putins Angriff auf die Ukraine. Es ist Krieg in Europa. Im Pavillon der Ukraine, deren Künstlern es nur mit Mühe gelang, wegen der Kriegswirren nach Venedig zu reisen, sind neben dem Hauptwerk „Der Brunnen der Erschöpfung“ aufgestapelte Sandsäcke zu sehen – als Schutz vor Zerstörung. So werden momentan Denkmäler in ukrainischen Städten vor Raketenangriffen geschützt…

Das diesjährige Festival trägt den Titel „The Milk of Dreams“ und stellt die Wandelbarkeit von Körpern und Menschen in Relation zu ihrer Umwelt in den Mittelpunkt. Alemani ließ sich beim Titel vom gleichnamigen Kinderbuch der britisch-mexikanischen Surrealistin Leonora Carrington inspirieren. Die Beiträge der Biennale scheinen zu fragen: „Was ist der Mensch?“ Dabei stehen Frauen und Minderheiten im Focus. Kritiker der Schau sind der Meinung, dass sich die Biennale 2022 vielfältiger, selbstbewusster und kritischer als sonst präsentiert. Sie werfe Fragen zur Daseinsberechtigung auf und spare Themen wie Sexualität, Ungerechtigkeit, Rassismus, Umweltzerstörung, Krieg und Gewalt nicht aus.

Die Biennale von Venedig ist immer für eine Überraschung gut

Ende April sind Auszeichnungen der Biennale-Jury verliehen worden. Sonia Boyce wurde für ihren Beitrag im Länderpavillon von Großbritannien mit dem Goldenen Löwen geehrt. Die Britin mit karibischen Wurzeln war die erste schwarze Frau, die in der Tate Gallery of Modern Art in London ausstellen konnte. „Feeling Her Way“ ist Titel ihrer faszinierenden Multi-Media-Art-Installation, die durch viel Gold und große Farbigkeit besticht. Die Schau ist ein Crossover aus Zeichnung, Fotografie, Video, Performance und Installation. Darüber wird der improvisierte A-capella-Gesang schwarzer Frauen gelegt, die per Video beeindruckend von Freiheit, Power und Verletzlichkeit singen.

Simone Leigh, die ebenfalls einen Goldenen Löwen erhielt, prangert Unterdrückung und Rassismus in postkolonialen Zeiten an. Sie hat den Pavillon der USA außen in eine afrikanische Hütte verwandelt. Innen spart sie nicht mit lebensgroßen Bronzefiguren der schwarzen Community. Im Arsenale erregte Leigh bei der Eröffnung der Hauptausstellung mit ihrer schwarzen Frauenfigur, deren Reifrock an eine afrikanische Hütte erinnert, Aufsehen.

Für ihr Lebenswerk wurden Katharina Fritsch und Cecilia Vicuña aus Chile ebenfalls mit einem Goldenen Löwen ausgezeichnet. Die Düsseldorferin Fritsch bestückte die Vorhalle des Hauptpavillons mit der Skulptur einen grünen Elefanten. Dieser wird von vielen Spiegeln in seiner Größe und von allen Seiten reflektiert. Das kolossale Urvieh wirkt auf den Betrachter unheimlich und scheint in surreale Welten zu entführen. Auch Vicuña stellt im Hauptpavillon aus. Sie zeigt ihre Decken-Installation aus Seilen, Fischernetzresten und Trümmerschutt, die sie in Venedig gefunden hat. Die Künstlerin des deutschen Pavillons ging bei der Preisverleihung leer aus. Maria Eichhorn beschäftigt sich mit der Gebäude-Struktur des Pavillons, der von den Nazis umgestaltet wurde.

Mit zwei „speziellen Erwähnungen“ bedachte die Biennale-Jury die Pavillons von Frankreich und Uganda. Die Ausstellung im französischen Pavillon zum Thema „Träume haben keine Titel“ wurde zum ersten Mal einer arabischen Künstlerin mit berberischen Wurzeln anvertraut. Zineb Sedira, die zwischen Algier und Paris pendelt und sich viel mit Postkolonialismus und Identität beschäftigt, hat Filmkulissen aufgebaut, die die Zuschauer wie Kino empfinden.

Uganda ist wie Kasachstan und Oman zum ersten Mal auf der Biennale in Venedig. Der Pavillon wurde von Shaheen Merali kuratiert. Er ist in Tansania geboren, lebt aber in London. „Radiance – They Dream in Time“ ist Titel der Uganda-Ausstellung. Acaye Kerunen aus Kampala zeigt Objekte, die sie aus handgearbeiteten Alltagsgegenständen wie geflochtenen Körben und Matten ihrer Heimat hergestellt hat und ehrt damit auch die Kunsthandwerkerinnen ihres Basis-Materials. Collin Sekajugo präsentiert Gemälde, die plakativ Menschen aus Uganda zeigen.

Die Niederländer überließen ihren Pavillon Estland und stellen in diesem Jahr in der ehemaligen Kirche Chiesetta Misericordia aus. Wie ein Protest gegen das Distanz-Wahren in der Corona-Zeit wirkt die bunt beleuchtete Wohnlandschaft aus Kissen und Polstern der Künstlerin Melanie Bonajo. Ihre Videos dazu widmen sich den Themen Liebe, Sex und Nähe.

Der belgische Künstler Francis Alÿs erhielt viel Lob für seine Videoarbeit „The Nature of the Game“. Für die Pavillon-Präsentation filmte er sehr eindrucksvoll und poetisch spielende Kinder aus aller Welt. Auf Videowänden kann das Publikum afrikanische Mädchen und Jungen dabei beobachten, wie sie tanzend Moskitos fangen.

Polen wählte für seinen Biennale-Pavillon eine Roma-Künstlerin. Malgorzata Mirgas-Tas schuf zwölf farbenfrohe Stoff-Gemälde. Mit diesen Textiltafeln greift sie Szenen aus der Roma-Mythologie auf. Sie zitiert aber auch italienische Fresken aus einem Renaissancepalast.

Viel beachtet wird in diesem Jahr der österreichische Pavillon. Darin ist es ohrenbetäubend laut. Jakob Lena Knebl und Ashley Hans Scheirl werfen hier unter dem Titel „Invitation of the Soft Machine and Her Angry Body Parts“ Fragen nach gesellschaftlicher Identität und künstlerischem Ausdruck humorvoll auf. Eine österreichische Politikerin nannte den Beitrag „ein äußerst kreatives, geradezu schrilles Energiekraftwerk“.

Mehr Informationen unter: https://www.labiennale.org/en

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