Bruno Latour – der Andersdenker
Der 1947 in Beaune, Frankreich, geborene Bruno Latour ist ein französischer Philosoph und Soziologe. Er studierte Philosophie und Anthropologie und promovierte schließlich 1975 an der Universität Tours. 1979 veröffentlichte er sein erstes, bis heute hoch geschätztes, Buch mit dem Titel „Laboratory Life“. Seit 1982 hat er eine Professur für Soziologie an der Universität École Nationale Supérieure des Mines in Paris inne.
Das Buch „Laboratory Life“ (1979), verfasste er zusammen mit dem Soziologen Steven Woolgar. Es entstand nachdem die beiden Autoren mehr als ein Jahr lang die Arbeitsabläufe im molekularbiologischen Forschungsbereich am Salk-Institut für biologische Wissenschaften in La Jolla, Kalifornien beobachtet und analysiert hatten. Latours und Woolgars Darstellung löste sich von der bis dahin gängigen positivistischen Sicht der wissenschaftlichen Untersuchung als einem rationalen und weitgehend asozialen Prozess, der universell gültige Wahrheiten über die natürliche Welt aufdeckt. Stattdessen präsentierten sie wissenschaftliches Wissen als ein künstliches Produkt verschiedener sozialer, politischer und wirtschaftlicher Interaktionen.
Latour erweiterte diese Ideen in Büchern wie „Les Microbes: Guerre et Paix“, „Suivi de Irréductions“ (1984) und „Nous n’avons jamais été modernes“ (1991). In seinen Schriften verglich Latour die wissenschaftliche Gemeinschaft oft mit einem Schlachtfeld. Seiner Ansicht nach gelang es Wissenschaftlern durch neue Theorien, Fakten, Techniken und Technologien, genügend Anwender und Unterstützer zu finden, um alle Alternativen zu eliminieren und sich so gegen zukünftige Herausforderungen zu immunisieren. Dank dieses Kampfes um die Vorherrschaft erwiesen sich die wissenschaftlich festgelegten Fakten schließlich als wahr. Latour wies die Frage nach der universellen Gültigkeit wissenschaftlicher Fakten sowohl als unbeantwortbar als auch als irrelevant ab. Dieses Beharren darauf, wissenschaftliche Fakten als rein soziale Konstruktionen zu sehen, führte ihn manchmal zu Schlüssen, die außerhalb der Gemeinschaft der Sozialtheoretiker als absurd betrachtet wurden.
In seinen Büchern schreibt er oft über die Moderne und kritisiert zugleich unser menschliches Verständnis über die Bedeutung des Wortes Modern. So sagte er einst, „Wir sind nie modern gewesen“. Für diese Aussage erhielt der Philosoph sehr viel Kritik von anderen Gesellschaftsforschern. Jüngst kritisierte er auch das Denken der Europäischen Union und deren Drang, alles zu vereinheitlichen. Er spricht von einer überstürzten Handlung und dem Versuch, Demokratie überall zu bewerkstelligen. Bruno Latour war auch bereits als Kurator tätig. 2002 begleitete er die Ausstellung „Iconoclash“ am Karlsruher Zentrum für Kunst und 2005 die Ausstellung „Making Things Public“.
Mehr Informationen unter: http://www.bruno-latour.fr
Signums sine Tinnitu stellt in dieser Serie die einflussreichsten Künstler unserer Zeit vor. Als Galerie für zeitgenössische Kunst fördern und publizieren wir Künstler aus allen Bereichen modernen Schaffens.