Annette Messager – Installationen zu Spatzen und Strickwaren
Auch wenn die 1943 in Berck geborene französische Künstlerin Annette Messager sich selbst nicht als Feministin bezeichnet, so greift sie in ihren Installationen doch immer wieder das Thema der Weiblichkeit auf, und sei es nur, indem sie mit Materialien arbeitet, die gemeinhin als „typisch weiblich“ gelten, wie etwa Strickarbeiten, Stickereien oder Frauenzeitschriften mit ihren Schönheitstipps und Kochrezepten. Sie spielt mit den einengenden männlichen Klischees und Stereotypen über Frauen und das Weibliche.
Begonnen hat die künstlerische Karriere der Annette Messager mit einem Studium an der École Nationale Supérieure Des Arts Décoratifs in der Pariser Rue d’Ulm, das sie 1962 begann und im Jahr 1966 beendete. Nach dem Studium entstanden ihre ersten Arbeiten, Alben mit Fotografien und Zeitungsausschnitten, die sie mit Anmerkungen versah, bearbeitete und verfremdete. Fast 60 solcher Sammelalben sind im Laufe der ersten Jahre entstanden, geordnet nach verschiedenen Themen wie „Liebesleben“ oder „häusliches Leben“. Auch hier spielt Messager mit weiblichen Klischees, die Alben tragen Titel wie „Mein Kochbuch“ oder „Meine Sprichwortsammlung“.
Einen Impuls in eine ganz neue Richtung erhielt Messagers Kunst durch einen Zufall, der sie nachhaltig prägen sollte. Sie erzählt: „Meine Stimme als Künstlerin habe ich gefunden, als ich 1971 in einer Straße in Paris auf einen toten Spatzen getreten bin. Ich wusste nicht, warum, aber ich war mir sicher, dass dieser Spatz wichtig war, denn er war etwas sehr Zerbrechliches, er war mir und meinem Leben nahe.“
Als die Galerie Germain Messager 1972 mit der Erstellung eines Werks aus Wolle und Stoff beauftragte, war es da nur folgerichtig, dass diese Arbeit, „Les Pensionnaires“, aus einer Reihe toter, ausgestopfter Spatzen bestand, die in mit Stoff überzogene Strickwaren eingewickelt waren. Von nun an sollten präparierte Tiere, aber auch Stofftiere und Puppen, zu Messagers festen Stilmitteln gehören.
Mit ihrem Erfolg in der Galerie Germain begann für Annette Messager eine Zeit des kontinuierlichen Arbeitens, die bis in die Gegenwart anhält. Bereits 1973 hatte sie in München ihre erste Einzelausstellung, weitere Soloshows in Grenoble, Paris, Bonn und 1978 in New York folgten. Heute werden ihre Werke in Museen und Galerien in aller Welt gezeigt, teils in Einzelausstellungen, mitunter in Gruppenausstellungen gemeinsam mit anderen Künstlern.
Messagers Entwicklung als Künstlerin ist untrennbar mit der Pariser Kulturszene der siebziger Jahre verbunden, mit Künstlern wie etwa Jean Le Gac, Jean-Pierre Le Boul’ch oder Paul-Armand Gette – und nicht zuletzt auch Christian Boltanski, mit dem sie bis zu seinem Tod im Jahr 2021 verheiratet war.
Inspirieren lässt sich Messager durchaus auch von Eindrücken der populären Alltagskultur. So fließen Fernsehserien, Fotoromane und Comics in ihre Kunst ein. Aber auch bedeutende Klassiker wie Francisco de Goya oder William Blake haben Einfluss auf ihre Arbeit, Künstler, die wie sie eine besondere, etwas düstere Sicht auf die menschliche Existenz haben. Kindheitserinnerungen hinterlassen ebenfalls Spuren in ihrem Schaffen. So wirken besonders Fotos, die sie in ihre Installationen integriert, wie Votivgaben – ein Ausdruck der Volksfrömmigkeit, den sie als Kind in einem benachbarten Sanatorium kennengelernt hat.
Heute lebt und arbeitet die vielfach ausgezeichnete Künstlerin – unter anderem ist sie Kommandeur der Ehrenlegion – in Malakoff in der Nähe von Paris. In ihrer Werkstatt entstehen Installationen, aber in Zusammenarbeit mit Regisseuren, Bühnen- und Kostümbildnern auch Arbeiten für Theaterprojekte.
Mehr Informationen unter: https://www.mariangoodman.com/artists/52-annette-messager/
Signums sine Tinnitu stellt in dieser Serie die einflussreichsten Künstler unserer Zeit vor. Als Galerie für zeitgenössische Kunst fördern und publizieren wir Künstler aus allen Bereichen modernen Schaffens.