Grayson Perry – Meistertöpfer und modernes Multitalent
Der britische Künstler Grayson Perry hat sich einem uralten Kunsthandwerk verschrieben: der Töpferei. Mit zeitgenössischen Elementen vereint, holte er diese traditionelle Technik in die Gegenwart. Die klassischen Formen seiner Keramikvasen erinnern an Werke aus der Antike, – die Motive darauf sind jedoch brandaktuell. Perry setzt sich mit Gesellschaftskritik und politischen Fragen auseinander; er verspottet die Eliten und deckt die Schwächen seiner Landsleute auf. Einen besonderen Schwerpunkt nehmen bei ihm die Themen Sex und Gewalt ein. Oft verstörend und obszön stehen die Darstellungen im Widerspruch zum dekorativen Gesamteindruck seiner Arbeiten. Seine Kunstobjekte beschränken sich nicht allein auf Keramiken. Bekannt ist Perry auch für seine riesigen Wandteppiche und Stickereien und seine Skulpturen aus Holz oder Metall. Viele seiner Arbeiten spiegeln die Suche nach der eigenen Identität wider und haben autobiografische Bezüge.
Vom Punk zur populären Kunstikone
Geboren wurde Grayson Perry 1960 in Chelmsford, in der englischen Grafschaft Essex. Er wuchs in den bescheidenen Verhältnissen der Arbeiterklasse auf. Sein Vater verließ die Familie als Perry vier Jahre alt war. Von da an erlebte er eine zerrissene Kindheit, mit einem gewalttätigen Stiefvater und getrennten Eltern, von denen er sich nicht verstanden fühlte. Mit etwa dreizehn Jahren begann er, die Kleidung seiner Schwester anzuziehen und erkannte seine Neigung für das Cross-Dressing. Gleichzeitig interessierte er sich für Kanonen und Panzer und überlegte, eine Laufbahn beim Militär einzuschlagen. Diese Idee verwarf er zugunsten eines Kunststudiums, das er am Braintree College in Essex und am Portsmouth College of Art and Design absolvierte und 1982 abschloss. Als er zum Studium aufbrach, verabschiedete ihn sein Stiefvater mit den Worten „komm nicht zurück“. Perry schloss sich der Punkszene an und lebte in besetzten Häusern. Er hielt sich mit Nebenjobs über Wasser, arbeitete an kleinen Filmprojekten und war Mitglied einer Performing-Art-Gruppe. Nebenbei belegte er Abendkurse in Töpferei am Central Institute London und entwickelte eine Leidenschaft für die Keramik. Sein großer Durchbruch kam 2003 mit dem Gewinn des Turner-Preises, einem der bedeutsamsten und höchstdotierten Kunstpreise Großbritanniens. Seither gehört Grayson Perry zu den renommiertesten Künstlern seines Landes. 2013 wurde er für seine Verdienste zum Commander des „Order of the British Empire“ ernannt.
Perry und Claire – ein Künstler mit vielen Facetten
Wenn Grayson Perry öffentlich auftritt, erscheint er meist in auffällig extravaganter Frauenkleidung. Längst hat sich nicht nur Perry selbst, sondern auch sein weibliches Alter Ego „Claire“ in der britischen Kulturszene etabliert. Perry nennt sich selbst einen „töpfernden Transvestiten“ und stellt sich mit seinen Auftritten dem Klischeedenken und Vorurteilen entgegen. Die vielfältigen Facetten seiner Persönlichkeit lebt er in seinen zahlreichen Talenten aus. Er ist Autor mehrerer Bücher, unter anderem zweier Biografien und einer Graphic Novel. Im Jahr 2005 drehte er einen Dokumentarfilm „Why Men Wear Frocks“ in dem er sich mit Männlichkeit und Transvestitismus beschäftigt. Weitere Dokumentarserien zu verschiedenen gesellschaftsrelevante Themen folgten. Perry hält Vorträge im Radio, ist Kurator vieler Kunstausstellungen und arbeitet als Designer. Neben seinen eigenen Kleidern hat er gemeinsam mit Fashion Architecture Taste ein Ferienhaus für Essex entworfen. Grayson Perry ist Vater einer erwachsenen Tochter und lebt heute gemeinsam mit seiner langjährigen Ehefrau Philippa in London.
Mehr Informationen unter: https://www.royalacademy.org.uk/art-artists/name/grayson-perry-ra#my-studio-life
Signums sine Tinnitu stellt in dieser Serie die einflussreichsten Künstler unserer Zeit vor. Als Galerie für zeitgenössische Kunst fördern und publizieren wir Künstler aus allen Bereichen modernen Schaffens.