Sophie Calle – das französische Phantom

Date : 2. März 2022

Sophie Calle, eine der größten und bekanntesten französischen zeitgenössischen Künstlerinnen unserer ZeitSophie Calle, eine der größten und bekanntesten französischen zeitgenössischen Künstlerinnen unserer Zeit, wurde 1953 in Paris geboren. Ihre Werke handeln vor allem von der Liebe, dem Leben und dem Tod – drei große Themen ihres bewegten Lebens. Dabei hüpft sie gekonnt von einer Kunstform zur nächsten: neben ihren Büchern ist sie auch wegen ihrer Fotografien und Installationen bekannt. Beinahe jedes ihrer Werke zeichnet sich durch Tabubrüche, Offenheit und das schonungslose Missachten der Privatsphäre aus, sowohl der anderer als auch ihrer eigenen.

Als Tochter eines Kunsthändlers lernte sie wohl schon sehr früh die verschiedenen Kunstformen kennen – und lieben. Dennoch entschied sich die abenteuerlustige, mutige junge Frau nach ihrem Schulabschluss gegen ein Studium an einer Kunsthochschule und machte sieben Jahre lang eine Weltreise. Während dieser Zeit arbeitete sie in unterschiedlichsten, ungewöhnlichen Berufen wie Hundedompteuse, Bardame und in einem Striptease-Lokal.

Wieder in Frankreich, begann sie sich bald ein wenig zu langweilen; deshalb – und um ihren Vater zu beeindrucken oder, wie sie es umschrieb, zu „verführen“ – folgte sie Fremden auf der Straße und schoss heimlich Fotos von ihnen: Ihre ersten Kunstwerke waren geboren.

Da Datenschutz, das Recht am eigenen Bild und ähnliches damals noch lange nicht spruchreif waren, konnte sie diese Bilder bedenkenlos und ungeniert in Zeitungen, Büchern und Ausstellungen präsentieren – nicht immer zur Freude der Abgebildeten.

Doch damit waren Sophie Calles Voyeurismus und ihre unbändige Neugierde auf das Leben Fremder noch lange nicht befriedigt: So reiste sie einem Mann bis nach Venedig hinterher, lies sich als Zimmermädchen anstellen, um ganz private Eindrücke aus fremden Leben sammeln – und veröffentlichen – zu können, und kontaktiere letztendlich sogar alle Personen aus einem gefundenen Adressbuch, um sie über den ihr unbekannten Besitzer zu befragen. Als sie die Antwortschreiben veröffentlichte, lies der Besitzer des Buches ihr Nacktfoto in der gleichen Zeitung abdrucken – doch solche Kleinigkeiten konnten Frau Call nicht abhalten.

Sophie Calle – was noch?

Doch nicht nur ihr Voyeurismus zeichnet sie aus; ebenso offen und nahezu exhibitionistisch geht sie auch mit ihrem eigenen Leben und ihren eigenen Gedanken um: So musste ihre Mutter einen Privatdetektiv anheuern, der sie beobachtete; dessen Aufzeichnungen stellte sie anschließend ihrem privaten Tagebuch gegenüber.

Eine E-Mail, in der ein verflossener Liebhaber ihre Beziehung beendet, lässt sie von nicht weniger als 107 völlig fremden Frauen auf künstlerische und rationale Weise interpretieren, so wird sie auf Rechtsgültigkeit und Rechtschreibung überprüft, aber auch gesungen, als Choreografie performt und dergleichen mehr. Schnell wird klar, dass Sophie Calle die Provokation liebt, das Wechselspiel aus Aktion und Reaktion.

Doch der genaue Beobachter wird feststellen, dass sie trotz aller Offenheit gar nicht allzu viel von sich verrät: Ihre tiefsten Gedanken und Gefühle bleiben stets gut verborgen hinter ihrer Kunst. Nie weiß man, welche Emotionen tatsächlich zu ihr gehören und was nur Fiktion ist; niemals zeigt sie wirklich und vollständig ihr wahres Gesicht. Sophie Calle ist wie ein Phantom, von dem jeder alles weiß und doch keiner etwas konkretes. In einem Interview verriet sie, dass sie und ihr Partner, mit dem sie seit 17 Jahren zusammen ist, sich siezen – weil sie „nicht viel von zu viel Vertrautheit in der Liebe“ hält. So offen, wie sie sich nach außen gibt, so verschlossen ist Sophie Calle also gleichzeitig.

Mehr Informationen unter: https://de.wikipedia.org/wiki/Sophie_Calle

Signums sine Tinnitu stellt in dieser Serie die einflussreichsten Künstler unserer Zeit vor. Als Galerie für zeitgenössische Kunst fördern und publizieren wir Künstler aus allen Bereichen modernen Schaffens.

@